Ein Schaf geht seinen Weg (Spirituell angehauchte Satire, Textauszug)

....... Schafe sind gesellige Tiere. Doch nach all diesen Erlebnissen wollte das Schaf allein sein; zum erstenmal in seinem Leben suchte es die Einsamkeit. In einem abgelegenen Tal in den hohen Bergen überantwortete es sich den heilenden Kräften der unberührten Natur. Und hier fand es, was es gesucht hatte..

Während die Lämmchen den lieben langen Tag auf den wolfsfreien Wiesen herumtollten, sieht unser Schaf die Berge an und den Mond, der immer voller wird, nachts, bar- und schwarzhufig.

Es streift durch die Juniwälder und die Glühwürmchen, die um seine Schafsnase tanzten, erinnern es an vergangene Zeiten. Dabei denkt es an den warmen Funken Glück, den es verspürte, als der Schafscherer liebevoll seine weiche Wolle streichelte. Es klettert auf die Almen und betrachtet die Frösche in den Trögen, aus denen die Kühe trinken. Und es richtet seinen Blick auf die fernen Gipfel, bis hin zum Großglockner und auf das ewige Eis. Es trinkt aus dem eisigen Gletscherbach und watet in lauen Sommernächten bis zur Bauchwolle in den von der Sonne verwöhnten See hinein. Glühwürmchen, Berge, Flüsse, Seen ... Von der sicheren Böschung aus betrachtet es die vom Regen geschwollenen Fluten, die mit sich reißen, was ihnen im Weg liegt, und Sperriges achtlos ans Ufer werfen.

Und schließlich begreift das Schaf.

Ein Flussbett wie ein Schafsleben, beide müssen nehmen, was auf sie zukommt. Was der Fluss mit sich führt, bleibt eine Weile liegen oder wird gleich wieder mit fortgerissen, scharfkantiges Geröll reißt tiefe Narben in das Flussbett und große Steine können seinen Lauf verändern. Kein Schaf kann das aufhalten, ebensowenig wie ein Flussbett das vermag.

So gab sich das Schaf seiner Natur hin und fand schließlich inneren Frieden. Endlich war es in der Lage, sich mit dem Tod des Schafscherers abzufinden, und fortan konnte es gern und oft liebevoll an ihn zurückdenken, ohne bittere Schafstränen zu vergießen.

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Autor und Copyright: Corinna Wagner, November 2004




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